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Die Grenzen der Arbeitsmigration – eine Geschichte aus 1. Generation 

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"Wenn Österreicher:innen ohne Migrationshintergrund einen Meter gehen müssen, kannst du dir sicher sein: Für dich gelten zwei Meter!" Der österreichische Jurist Fari Ramic erzählte uns von der Flucht seiner Familie aus Jugoslawien in den frühen 90ern und warum er in feindseliger und rassistischer Politik den größten Wohlstandvernichter sieht.

Wir erinnern uns: was geschah damals in Jugoslawien?

Slowenien, Kroatien, Bosnien und Mazedonien erklärten 1991, dass sie unabhängig, also kein Teil des Staates Jugoslawien mehr sein wollten. Serbien stellte sich dagegen. Die Folge waren mehrere Kriege, die bis 1999 andauernden. Vor allem in Bosnien und Herzegowina sowie in Kroatien wurden große Teile der Zivilbevölkerung verfolgt und ermordet. Nach den Kriegen blieben nur Serbien und Montenegro als "Jugoslawien" vereint, bis sich auch Montenegro 2006 unabhängig machte und somit das Ende des Staates Jugoslawien einläutete.

In diesem Krieg kamen viele unbewaffnete Männer, Frauen und Kinder um ihr Leben. Zahlreiche Armee-und Staatsführer standen deshalb vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. In den vergangenen 24 Jahren tagte dieses Gericht immer wieder aufgrund der Kriegsverbrechen. Die letzte Verurteilung wurde 2017 ausgesprochen.

In Österreich "angekommen"

Fari wurde in Österreich geboren. Seine Mutter war hochschwanger als sie vor dem Krieg in Jugoslawien flüchten mussten. Seine Eltern stammen aus dem heutigen Bosnien und kamen 1992 nach Österreich, nachdem ihnen von Österreich signalisiert wurde, dass sie bei uns sicher wären. Aufgrund der Schwangerschaft wollte die Familie nur vorübergehend in Österreich bleiben, drei Wochen nach der Flucht wurde Fari geboren. Zu Beginn wurde die junge Familie im Otto Wagner Spital einquartiert, zusammen mit vielen anderen Geflüchteten. Weitere Unterkünfte wurden seitens der österreichischen Zivilbevölkerung zur Verfügung gestellt. Fari und seine Familie kamen schließlich auch bei einem Arzt im Waldviertel unter. Die Zivilcourage dieses Privaten gab der Familie erstmals die Chance, auch mental in Österreich "anzukommen".

Anstellung unter dem eigenen Bildungsniveau

Obwohl Faris Vater ausgebildeter Schlosser war und Österreich, ähnlich wie heute, mit einem ausprägten Arbeitskräftemangel zu kämpfen hatte, durfte er nicht entsprechend seiner Ausbildung arbeiten. Die Anerkennung seiner Ausbildung, der Fachbegriff dafür lautet "Nostrifizierung", sollte mehrere Jahre dauern und viel Geld kosten – Geld, welches die Familie aufgrund des Krieges in der Heimat selbstverständlich nicht hatte. Bis heute müssen in limitierten Berufen Spezialisten wie Ärztinnen und Pfleger aus dem Ausland ihre Ausbildung in einer Nostrifizierung anerkennen lassen. In Österreich ist das sehr aufwändig. Viele bleiben darum in Berufen weit unter ihrem eigentlichen Bildungsniveau. So auch Faris Vater. Deshalb begann er als Hilfsarbeiter dort mit anzupacken, wo er gebraucht wurde. Er strich Lokomotiven an und übte Waldarbeiten aus. Als dann, nach mehreren Jahren, ausreichend Geld für die Nostrifizierung gespart werden konnte, durfte Faris Vater als Schlosser in Österreich arbeiten. Bevor 1997 Faris kleiner Bruder zur Welt kam, konnte die Familie erneut durch Zivilcourage 1994 ein größeres Zuhause finden, das ein würdevolles familiäres Leben ermöglichte, da das Geld so kurz nach der Anerkennung der Qualifikation knapp war.

Aus der Vergangenheit lernen – Diversität als Chancen sehen

Obwohl damals händeringend nach Arbeits- und Fachkräften gesucht wurde, gestattete die österreichische Regierung Faris Eltern keinen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt. Das hat sich bis heut nicht verbessert. Immer noch müssen top ausgebildete Fachkräfte aus Drittstaaten enorme Unsummen und Zeit aufwenden, damit ihre Ausbildung bei uns anerkannt wird. Dass der Zuzug zum heimischen Arbeitsmarkt auch wesentlich schneller und fairer geht, zeigt beispielsweise Kanada. Das dortige System basiert auf Prinzipien, die sicherstellen, dass ausländisch erworbene Qualifikationen fair, transparent, zeitgerecht und konsistent geprüft werden. Innerhalb eines Jahres müssen sämtliche Überprüfungen seitens der Behörden abgeschlossen sein. Das ermöglicht jenen Menschen, die nach Kanada kommen um ihren Beitrag an der Gesellschaft zu leisten, rasch zu einer Erkenntnis zu kommen: Werden meine Qualifikationen ohne Ausnahme anerkannt, muss ich eventuell Zusatzqualifikationen in Kanada erwerben und wenn ja, welche. Oder wird meine bisherige Ausbildung gar nicht anerkannt. Übrigens findest du hier mehr Hintergründe zu dem Thema.

Damals wie heute werden in allen Branchen händeringend motivierte und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Und damals wie heute machen etablierten Parteien nur eines: Sie verschlimmern die Lage. Denn in Österreich herrscht ein politisches Klima, das „Ausländer:innen“ praktisch nur als Problem definiert. Das Schüren des Hasses gegen alles Weltoffene und Fremde, die antieuropäischen Aussagen führender Politiker – das alles schädigt unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand und schreckt Talente am Arbeitsmarkt ab. Getrieben wird das von der FPÖ. Die ÖVP lässt dies nicht nur zu, sie legt und ahmt nach. Das sieht auch Fari: "Rechtspopulistische Politiker schaden dem Wirtschaftsstandort. Mit ihrer feindseligen Politik und ihrer Hetze verschlimmern sie den Arbeitskräftemangel."

Erbe der 1. Generation: "Bildung war immer das wichtigste."

Fari und Mama

Allein der Antrieb seiner Mutter ermöglichte Fari eine berufliche Laufbahn, die sich sehen lassen kann. Für Faris Eltern war schnell klar, dass nur der Zugang zu einer umfangreichen Bildung den Kindern ein selbstbestimmtes und freies Leben ermöglichen kann. Also bemühte sich Faris Mutter ihm so schnell wie möglich Deutsch beizubringen, obwohl sie es selbst nicht gut konnte. Hilfe vom Staat war nicht zu erwarten. Fari würde erst im Kindergarten und in der Schule mit vielen Kindern zusammentreffen, die fließend Deutsch sprachen. Und so bemühte sich seine Mutter sehr darum, dass die deutsche Sprache so rasch wie möglich erlernt wurde. Fari war dann nach der Volksschule das einzige Kind aus seiner Klasse, das in ein Gymnasium wechselte. Nach der Matura zog es ihn nach Wien wo er sein Jusstudium begann. Zuletzt arbeitete er als Jurist an der Seite unserer Nationalratsabgeordneten Stephanie Krisper für den ÖVP-U-Ausschuss. 

"Ich verdanke meinen Eltern alles, ohne ihren Einsatz hätte ich nie in Wien studieren können. Es hätte an Geld und Bildung gefehlt. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür, dass sie mir meine Chancen hart erarbeitet haben und stets in meine Bildung investiert haben", lies uns Fari noch wissen.

Wir danken dir Fari, dass du nach wie vor ein wichtiger Bestandteil unserer politischen Arbeit bist und für deinen Mut, deine Geschichte zu erzählen.

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