Nur wenigen ist bewusst, was mehr Verantwortung in der Schule für Lehrkräfte bedeutet: mehr Arbeit, weniger Zeit für Schüler:innen, gleich viel Gehalt wie Lehrkräfte ohne zusätzlicher Verantwortung. Wer heute mit dem neuen Dienstrecht, das 2015 in Kraft getreten ist, Klassenvorstand wird, bekommt diese Tätigkeit nicht extra bezahlt. Sebastian ist 29 Jahre alt und Lehrer an einer Mittelschule. Die Freiwilligkeit Klassenvorstand zu werden, ist mit 2015 erloschen. Heute wird man das auf Geheiß der Direktion. Sebastian erzählt, was hinter dieser Regelung steckt: "Für Lehrkräfte gelten 24 Stunden Arbeit in der Schule. 22 davon im Klassenraum und eine Stunde davon – die 23. – für Tätigkeit A, die einem zugeteilt wird, und eine Stunde davon – die 24. – für Tätigkeit B. Im Schnitt arbeiten wir Lehrkräfte dann noch zwischen 20 und 25 Stunden außerhalb der Schule, für Vorbereitungen, Nachbereitung, Organisatorisches, Gespräche mit Kindern und Eltern, Konferenzen und für sonstige Verwaltungstätigkeiten. Spannend ist aber, dass die Aufgaben des Klassenvorstands als Tätigkeit A gelten, also aus einer bezahlte Stunde bestehen. Andere Lehrkräfte erhalten als Tätigkeit A beispielsweise den Bibliotheksdienst. Realität ist aber, dass Klassenvorstände eher 4-5 Stunden in der Woche für ihre Tätigkeit brauchen, während der Bibliotheksdienst tatsächlich in rund einer Stunde in der Woche erledigt werden kann."
Dieses enorme Ungleichgewicht bringt natürlich auch unter der Kollegschaft eine gewisse Unruhe und einen Frust hinein. "Stell dir vor, du bist eine Lehrkraft, die zusätzlich zur Lehrtätigkeit noch für die Supplierstunden verantwortlich ist, wie vielen Kolleg:innen wirst du wohl auf die Füße treten müssen?", fragt Sebastian. Auch er wünscht sich dringend mehr administrative Hilfskräfte in den Schulen. Der engagierte Lehrer berichtet von der Schulsekretärin, die an drei Schulen gleichzeitig arbeitet. An seiner Mittelschule, an einer weiteren Mittelschule und in einer Volksschule. "Das ist die einzig administrative Kraft, die wir bekommen. Selbstverständlich bleibt da der Großteil an den Lehrkräften und der Direktorin kleben." Besonders sinnlos findet Sebastian gewisse Dokumentationen, die nie jemand wirklich durchsieht. "Für Kinder mit Förderbedarf muss laufend eine Förderdokumentation erstellt werden. Diese besteht aus rund 15 Seiten. Dort wird bis ins kleinste Detail eingetragen, welche motorischen Fähigkeiten das Kind hat oder auf einer Skala von 1 - 100 wie gut es rechnen kann. Diese Dokumentation muss ich bei mir aufbewahren, die wird nirgendwo eingereicht. An dieser regelmäßigen Dokumentation sitzt man pro Kind schon ein paar Stunden. Als ich, aufgrund einer Aufhebung des Förderbedarfs eines Kindes, nach der Dokumentation gefragt wurde, hat man sich eine einzige Seite angesehen! Ist das zu glauben?"