Fachkräftemangel in Österreich
In vielen Branchen fehlt es in Österreich an qualifiziertem Personal. Dieses Phänomen, bekannt als Fachkräftemangel, führt zu einem schwerwiegenden Wirtschaftsproblem für Österreich. Für immer mehr Arbeitgeber:innen wird die Besetzung offener Stellen zu einer gravierenden Herausforderung, die zu Umsatzeinbußen und im schlimmsten Fall zur Existenzbedrohung führt.
Was ist Fachkräftemangel?
Fachkräftemangel bedeutet, dass eine große Anzahl von offenen Stellen in einem oder mehreren Fachgebieten nicht besetzt werden kann, da zu wenig fachlich ausgebildetes Personal zur Verfügung steht. Es gibt somit mehr freie Arbeitsplätze als Arbeitnehmer:innen mit entsprechender Ausbildung.
Wo spiegelt sich der Fachkräftemangel wider?
Der Fachkräftemangel ist in Österreich längst kein Problem einzelner Branchen mehr, sondern eines, das in allen Wirtschaftsbereichen vorherrscht. Seit 2008 erstellt das Arbeitsmarktservice jährlich eine Liste an Mangelberufen. Ein Beruf wird als Mangelberuf definiert, sofern pro offener Stelle weniger als 1,5 Arbeitssuchende zur Verfügung stehen. Insgesamt 98 bundesweite Mangelberufe wurden für das Jahr 2023 definiert. Hinzu kommen 58 regionale Mangelberufe, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.
Wo aber herrscht der Fachkräftemangel in Österreich genau? Besonders alarmierend ist der Fachkräftemangel Österreichs in folgenden Branchen:
Gesundheitsbereich: Im Bereich der Pflege und Medizin wird in Österreich bereits seit Jahren ein Fachkräftemangel verzeichnet. Besonders besorgniserregend ist der Mangel an Arbeitskräften in diesen Bereichen aufgrund des demografischen Wandels und der damit einhergehenden Alterung der Bevölkerung. In Kombination mit dem Mangel an qualifizierten Fachkräften führt dies zu eklatanten Versorgungsengpässen, besonders beim ärztlichen und diplomierten Pflegepersonal sowie bei der Augenoptik.
Gastronomie und Hotellerie: Besonders ausgeprägt ist der Fachkräftemangel Österreichs im Tourismus. Viele Gastronomiebetriebe können die offenen Stellen nicht besetzen und dadurch den Betrieb nur eingeschränkt führen. Im Bereich der Gastronomie und Hotellerie fehlt es vor allem an Kellner:innen.
Baubranche: Fehlende Arbeitskräfte verzeichnet auch das Baugewerbe, wodurch viele Baustellen ohne qualifiziertes Personal auskommen müssen. Besonders gefragt sind Dachdecker:innen, Zimmerer und Zimmerinnen, Betonbauer:innen, Lackierer:innen und Fliesenleger:innen.
IT- und Technikbranche: An Fachkräften mangelt es auch in den beiden wirtschaftsstarken Branchen der IT und Technik. Besorgniserregend ist das insbesondere, da diese beiden boomenden Branchen für das Erreichen der Klimaziele und für die Digitalisierung Österreichs sehr zentral sind, jedoch viele Stellen nicht besetzt werden können.
Ursachen für den Fachkräftemangel
Weshalb in Österreich ein gravierender Fachkräftemangel entstehen konnte, hat verschiedene Gründe, die sowohl systemischen Charakter haben als auch gesellschaftlicher Natur sind.
Zu den Gründen des Fachkräftemangels in Österreich zählen unter anderem:
Demografischer Wandel: Laut Statistik Austria wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren in Österreich in den nächsten 30 Jahren um 4,8 Prozent zurückgehen. Obwohl die österreichische Bevölkerung bis 2050 7,7 Prozent wachsen soll, betrifft dieses Bevölkerungswachstum vordergründig die Altersgruppe der über 64-Jährigen und somit jene, die zum Großteil nicht mehr am Erwerbsleben teilhaben. Bei der Altersgruppe der 15- bis 59-Jährigen kommt es aufgrund der geringen Geburtenraten in dieser Generation trotz des Bevölkerungswachstums zu einem prognostizierten Rückgang der Zahl der Erwerbspersonen von 214.000 Personen.
Arbeitsbedingungen: Schlechte Arbeitsbedingungen werden bereits seit Jahren dem Bereich der Pflege sowie dem Gastgewerbe vorgehalten. Eine zu geringe Entlohnung, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten, hohe körperliche Belastungen und Stress sowie familienfeindliche Arbeitszeiten haben den Fachkräftemangel in diesen Branchen vorangetrieben und drängen Betriebe dazu, auf, Arbeitskräfte aus dem Ausland zurückzugreifen.
Corona-Pandemie: Die Lockdowns während der Corona-Pandemie zwangen viele Arbeitskräfte zu einer beruflichen Neuorientierung und führten zu einer Abwanderung in andere Branchen. Betroffen sind hier insbesondere die Gastronomie und Hotellerie, die dadurch viele Arbeitskräfte verloren. Intensiviert wurde dieser Mangel hauptsächlich durch die pandemiebedingte Rückkehr von Arbeitskräften in ihr Heimatland. Im Gesundheitsbereich sowie auch in der Gastronomie und Hotellerie waren bis zur COVID-19-Krise viele Arbeitskräfte aus Osteuropa angestellt.
Wertewandel der Beruflichkeit: COVID-19 löste in Österreich einen großen gesellschaftlichen Wandel am Arbeitsmarkt aus. Work-Life-Balance, hohe Flexibilität und Wertschätzung am Arbeitsplatz wurden vielen Arbeitnehmer:innen zunehmend wichtig. Das Konzept des Vollzeitarbeitens wurde kritisch hinterfragt und führte zu einer höheren Nachfrage nach Teilzeitjobs.
Weniger Lehrlinge: Immer mehr Jugendliche entscheiden sich für eine weiterführende Schule oder ein Studium und seltener für eine Lehre. Von dieser Entwicklung ist besonders der technische Bereich betroffen. Coronabedingt blieb auch die Berufsberatung an Österreichs Schulen aus, was die Situation noch verschärfte. Seit 2022 wird in Österreich wieder ein Anstieg bei den Lehranfängen verzeichnet.
Folgen des Fachkräftemangels
Der Fachkräftemangel spiegelt sich in jeder einzelnen Branche von Österreichs Wirtschaft wider und betrifft damit zahlreiche Unternehmen Österreichs: Mehr als zwei Drittel aller österreichischen Unternehmen klagen über einen starken Fachkräftemangel. Das macht den Engpass an geeigneten Fachkräften zu einem großen Wirtschaftsproblem, das auf Österreich und dessen Unternehmen eine Reihe an Auswirkungen hat:
- Mehrkosten und Mehraufwand bei der Rekrutierung der Mitarbeiter:innen
- Starke Mehrbelastung bei der vorhandenen Belegschaft
- Reduktion des Angebots und Leistungsumfangs
- Zurückschrauben der Produktion
- Umsatzeinbußen
- Verlust von Aufträgen
- Geringere Innovationsfähigkeit
- Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit
Diese Folgen des Fachkräftemangels für die österreichischen Betriebe haben großen Einfluss auf die Wirtschaftsdynamik und bedrohen schließlich die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Österreich.
Mögliches Vorgehen gegen den Fachkräftemangel
Um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren und den Fachkräftemangel zu entschärfen, können in Österreich viele verschiedene Maßnahmen gesetzt werden, die auf struktureller und politischer Ebene organisiert werden müssen:
Bessere Arbeitsbedingungen: Eine gerechte Entlohnung, faire Entwicklungsmöglichkeiten, gesundes Arbeitsumfeld und familienfreundliche Bedingungen können das Fachkräfteproblem in vielen Branchen lösen.
Anheben des Pensionsantrittsalters der Frauen: Dieses führt zu einer Entkräftung des demografischen Wandels und hemmt die prognostizierte Reduzierung der erwerbstätigen Personen.
Integration von Langzeitarbeitslosen: Auch eine Forcierung der Integration von Langzeitarbeitslosen bringt mehr geeignete Fachkräfte für Österreichs Wirtschaft.
Arbeitsmotivation älterer Mitarbeiter:innen erhöhen: Um qualifizierte Arbeitskräfte nicht zu verlieren, sind ältere Mitarbeiter:innen eine wichtige Ressource. Ein Ansatz ist, sie auch nach dem Regelpensionsantrittsalter im Betrieb halten zu können, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Unternehmen selbst können auch aktiv Anreize im Kampf gegen den Fachkräftemangel schaffen. Mittels Employer Branding und damit einer Stärkung der Arbeitgebermarke können Unternehmen auf sich aufmerksam machen und sich gegenüber den Fachkräften als attraktiver Arbeitgeber am Arbeitsmarkt positionieren.
Wo wir NEOS die Lösung für den Fachkräftemangel sehen
Österreich muss jetzt auf den Arbeitskräftemangel reagieren, denn dieser bedroht die Existenz österreichischer Unternehmen und damit auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Österreichs. Politisch anzusetzen ist ganz klar bei der Entlastung des Faktors Arbeit. Die Einkommensunterschiede zu unseren osteuropäischen Nachbarstaaten sind geringer geworden. Damit fehlen Österreich qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. Außerdem müssen die bürokratischen Hürden bei der Rot-Weiß-Rot-Karte beseitigt werden, um Österreich für ausländische Arbeitskräfte attraktiver zu machen.