Stephanie Krisper
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Es ist immer noch möglich
Verhindern, verzögern, verschleppen – diese Taktik zog sich wie ein roter Faden durch einen Untersuchungsausschuss, der betreffend der „mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ einberufen wurde und alles bisher Dagewesene – von Eurofighter-U-Ausschüssen, über den Buwog-U-Ausschuss bis hin zum Hypo-U-Ausschuss – in den Schatten stellte: der „Ibiza-Untersuchungsausschuss“.
Er offenbarte ein System, das darauf ausgelegt ist, die persönliche Macht ständig auszudehnen. Und er machte deutlich, dass Ermittlungsbehörden über politische Einflussnahme die Justiz aushungern oder unter Druck setzen können. Ermittlungen können also klein gehalten werden, während es gleichzeitig möglich ist, massiv gegen diejenigen vorzugehen, die einer politischen Partei und ihrer „Familie“ unangenehm sind oder gefährlich werden könnten.
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Uns ging es vor allem um die relevanten Fragen: Ist es in Österreich möglich gegen Geld und Macht an hochdotierte Posten oder gar an Gesetze zu gelangen? Und wer trägt dafür die politische Verantwortung? Neben Postenschacher und Gesetzeskauf ging es uns auch um die Frage, wie die Ermittlungen rund um die Ibiza-Affäre geführt werden – und ob es zu „Zwei-Klassen-Ermittlungen“ kommen kann, in denen es sich diejenigen richten können, die über die richtigen Verbindungen und Kontakte verfügen. Dass anscheinend mehr zählt, wen du kennst, als was du kannst, stieß uns NEOS übelst auf.
Der U-Ausschuss zeigte deutlich, dass es Zahlungen an alle Parteien gab: über das Alois Mock-Institut an die ÖVP, über das Institut für Sicherheitspolitik. Weiters wurden in der türkis-blauen Regierung Gesetzesänderungen in Aussicht genommen sowie die persönlichen Verflechtungen hoher politischer Beamter offengelegt, die die Novomatic darin berieten, wie Sponsoring-Gelder verteilt werden sollen.
Manifestiert hat sich das Thema Gesetzeskauf im Fall PRIKRAF – hier wurde Strache bereits verurteilt. Aber Ermittlungen laufen auch noch in Richtung ÖVP und des ehemaligen Finanzministers Löger.
Dass der ehemalige Chef der Staatsholding ÖBAG Thomas Schmid zurücktreten musste, war nicht zuletzt dem Untersuchungsausschuss zu verdanken.
In den Ermittlungen gerade in Fällen rund um „Ibiza“ trat bald ein Bild zutage, das zeigte, wie eine Partei, namentlich die ÖVP, alles daran setzte, Ermittlungen gegen sie und die ihren zu torpedieren. Sei es durch massiven Druck auf die WKStA oder auch durch das Instrumentalisieren von Ermittlungsbehörden. Als größte Erfolge sind hier sicherlich die Aufhebung der Berichtspflicht der WKStA an die Oberstaatsanwaltschaft zu nennen. Aber auch die Suspendierung von Pilnacek als Sektionschef im Justizministerium mit Fachaufsicht in Einzelstrafsachen.
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Natürlich haben wir mit unserer Enttäuschung nicht „hinterm Zaun gehalten“, als der Ibiza-Ausschuss dann frühzeitig endete. Denn zu viel blieb unklar, zu viele Fragen offen. Am 1. Juli 2021, am letzten Tag des U-Ausschusses, wäre noch die Chance für Sebastian Kurz gewesen, unsere Fragen klipp und klar zu beantworten. Doch der damalige Kanzler verzögerte so lange, bis uns die Zeit ausging und wir keine einzige Frage stellen konnten.
Folgendes hätten wir dennoch gerne noch den ehemaligen Kanzler Kurz gefragt:
Wir hätten jedenfalls nie gedacht, wie schwer uns die Antwortsuche gemacht werden würde:
Deshalb sind wir besonders stolz, heute mit Fug und Recht sagen zu können, dass dieser Untersuchungsausschuss trotz aller Widrigkeiten als einer der erfolgreichsten bezeichnet werden kann. Es sind Erfolge, die auch zeigen, dass „neue Stile“ – durch die richtigen Fragen – sehr schnell als „sehr alt“ entlarvt werden können.
Selbst, wenn wir nicht alle Fragen lückenlos aufklären konnten, macht der U-Ausschuss doch eines deutlich: Mit dieser Bundesregierung kann es keine echte Kontrolle und keine wirklich unbehinderte Justiz geben. Denn: Anfang 2023 wurde das "Antikorruptions-Maßnahmenpaket" seitens ÖVP und Grüne präsentiert. Nur soviel vorab: Diesen Namen hat das Paket nicht verdient. Jene dubiosen Machenschaften, die damals auf Ibiza von Strache angesprochen wurden, sind nach wie vor möglich. Jetzt ist es eben eine Frage des richtigen Timings.
Um für einen echten Neustart und eine Politik der sauberen Hände sorgen zu können, braucht es jetzt die Umsetzung dringend notwendiger Reformschritte, die zum Teil bereits auf der Hand liegen. Dazu zählen:
bei Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze
illegale Parteienfinanzierung und Rechenschaftsberichtsfälschung
von parteinahen Organisationen im Rechenschaftsbericht der Parteien
der Einnahmen und Ausgaben während des Wahlkampfs und Wahlkampfkostenabrechnung drei Monate nach der Wahl
für Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung
bei parteinahen Vereinen
der Parteienförderung
der Wahlkampfkostenobergrenze