Martina Künsberg Sarre
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Durch mehr Autonomie und Chancengerechtigkeit für die beste Bildung sorgen
Echte Erneuerung schiebt Österreichs Bildungspolitik seit Jahrzehnten auf die lange Bank. Nach wie vor ist das heimische Schulsystem geprägt von starren, veralteten Strukturen und unübersichtlichen politischen Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Schulen leiden unter zu viel Bürokratie und brauchen dringend mehr finanzielle und personelle Autonomie. Auch bei der Chancengerechtigkeit ist der Aufholbedarf groß: In Österreich sind die Bildungschancen nach wie vor noch ungleicher verteilt als in den meisten anderen Industriestaaten.
Wir NEOS wollen deshalb für mehr Chancengerechtigkeit sorgen und arbeiten daran, dass die Talente und Potenziale deines Kindes bestmöglich individuell gefördert werden. So stellen wir sicher, dass jedes Kind die Möglichkeit auf Selbstbestimmung erhält – egal aus welchem Elternhaus es kommt, oder welche Muttersprache es spricht. Denn Bildung ist der größte Chancenmotor unserer Gesellschaft!
Wenn wir beste Bildung für Kinder und Jugendliche wollen, sind motivierte und qualifizierte Lehrkräfte und deren erfolgreiches Tun in der Klasse der Schlüssel dazu. Doch wie ist es um Österreichs Lehrerinnen und Lehrer im Jahr 2023 bestellt? Der Lehrkräftemangel ist in aller Munde, viele Lehrpersonen sind mit den Arbeitsbedingungen im Schulsystem unzufrieden und das Lehramtsstudium erscheint wenige Jahre nach der letzten Reform schon wieder reformbedürftig.
Wir wollen wissen was Lehrer:innen brauchen, deshalb diskutiert unsere Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre, im Zuge einer Österreich-Tour, mit Fachleuten aus Theorie und Praxis. Welche Schritte sind nötig, um ein optimales Umfeld für Lehrende und Lernende zu schaffen?
Um Österreichs Schulen endlich in das 21. Jahrhundert zu bringen, müssen wir die Lehrpläne dringend entrümpeln. Bei den Schulfächern muss sich einiges ändern, um endlich das kleinteilige Kastldenken zu überwinden. Unsere Kinder verdienen lebensnahen Unterricht, der nicht durch die Grenzen von Fachdisziplinen oder 50-Minuten-Einheiten eingeengt ist. Wir wollen die Teamarbeit der Lehrkräfte fördern, und einen flexiblen Rahmen für projektorientiertes Lernen schaffen. Langfristig bedeutet das auch einen Umstieg auf größere "Flächenfächer", die an Lebensbereichen wie Arbeitswelt, Gesellschaft oder Natur anknüpfen und ganze Schultage umfassen. Denn wir brauchen künftig mehr innovative fächerübergreifende Projekte, um kritische Reflexion und das Verstehen gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Zusammenhänge zu fördern. Deshalb muss auch die Vermittlung von Wirtschafts- und Finanzkompetenz, sowie digitaler Bildung dringend gestärkt werden. Um die Digitalisierung voranzutreiben wird es aber nicht reichen, Schulbücher einfach durch Tablets zu ersetzen. Weiters soll die Schule doch auf ein gelingendes Leben vorbereiten. Also müssen auch Aspekte wie die psychische Gesundheit der Schüler:innen, ihre Ernährung und ihre "21st Century Skills" (Kommunikation, Zusammenarbeit, Kreativität, Kritisches Denken u.a.) gelehrt und gelebt werden.
Bildungschancen dürfen keine Frage des Elternhauses oder der Herkunft sein. Wenn Kinder zuhause weniger gefördert werden, können und sollen gute Schulen das ausgleichen. Schulen mit vielen Kindern aus sozial benachteiligten Familien, stehen größeren Herausforderungen gegenüber als Schulen in wohlhabenden Wohngegenden. Um die Bildungschancen künftig gerechter zu verteilen und die ungleichen Startvoraussetzungen auszugleichen, braucht es deshalb einen bundesweiten Chancenindex. Das bedeutet eine Schulfinanzierung, die Schulstandorten mit mehr Kindern aus bildungsfernen Schichten, nicht-deutscher Muttersprache oder anderem Förderbedarf auch dementsprechend mehr Budget zur Verfügung stellt. Dieses soll für innovative Projekte, Personal, Schulpsycholog:innen und Sozialarbeiter:innen eingesetzt werden. Mit der indexbasierten Finanzierung erreichen wir soziale Durchmischung an den Schulen und schaffen Chancengerechtigkeit für alle Schulstandorte.
Es gilt die Autonomie und die Gestaltungsfreiheit an unseren Schulen auszubauen. Unsere Schulleitungen werden täglich mit überbordender Bürokratie und Bevormundung konfrontiert. So haben die individuellen Bedürfnisse der Schüler:innen einfach zu wenig Platz. Wir wollen freie Schulen, die nicht mehr parteipolitischer Bevormundung und bürokratischer Überregulierung ausgesetzt sind.
Sie sollen eigenständig neue Wege gehen und schnell, flexibel und realitätsnah agieren können. Schulautonomie bedeutet für uns, dass Schulen mit einem Globalbudget ausgestattet werden. Sie sollen eigenständig Schwerpunkte setzen und ihre Mitarbeiter:innen frei auswählen können. Diese sollen ein Team mit vielfältigen Kompetenzen bilden, das sowohl Lehrer:innen als auch Profis aus anderen Bereichen wie Sozialarbeit, Psychologie, Sport, Kultur und Wirtschaft umfasst.
Um die besten Köpfe für die Ausbildung unserer Kinder zu gewinnen, müssen wir unter anderem das Lehramtsstudium mit einem vielschichtigen Aufnahmeverfahren ausstatten, und stärker soziale Kompetenzen testen. Es braucht auch mehr Wertschätzung für Beruf als Lehrkraft, und einen Ersatz des Lehrer:innen-Dienstrechts durch einen modernen Rahmenkollektivvertrag. Das Gehaltssystem muss flexibler werden. Es braucht Aufstiegschancen und Fachkarrieren, damit Engagement und Weiterbildung belohnt wird. Um Expert:innen aus der Praxis für den Lehrer:innen-Beruf zu begeistern, braucht es mehr Durchlässigkeit in und aus dem Beruf. Berufliche Veränderung darf nicht als Scheitern verstanden werden - und der Eintritt in den Lehrer:innen-Beruf nicht als Einbahnstraße. So bringen wir neue Dynamik und frisches Know-how in die Schulen.
Inklusive Bildung setzt voraus, dass schulischer Unterricht allen Kindern die gleichen Chancen bietet – egal, ob mit oder ohne Behinderungen. Während das in anderen Ländern längst zum schulischen Alltag gehört, sind wir in Österreich noch meilenweit von einem inklusiven Schulsystem entfernt. Seit Jahren drängen Expert:innen, Lehrer:innen und Eltern hier auf mehr Unterstützung und Ressourcen von Seiten der Politik. Wir fordern, dass das Recht auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe, das Menschen mit Behinderungen aufgrund der UN-Behindertenrechtskonvention zusteht, auch in den weiterführenden Schulen umgesetzt wird. Konkret soll im Schulunterrichtsgesetz ein Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Schüler:innen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf festgelegt werden. Weiters sollen in der Sekundarstufe 2, also in berufsbildenden mittleren Schulen und Oberstufenrealgymnasien, inklusive Settings oder andere sonderpädagogische Angebote eingerichtet werden. Die Erarbeitung und Verordnung von sonderpädagogische Lehrplänen für die Sekundarstufe 2 ist ebenso lange überfällig.
Die Mittlere Reife ist mehr als nur ein Abschluss: Sie ist ein Zwischenstopp – ein Moment, Bilanz zu ziehen. Mit dem Pflichtschulabschluss soll nicht nur Wissen abgefragt werden, sondern u.a. auch Sozial- und Selbstkompetenzen. Damit ersetzen wir ein bloßes Zeugnis durch eine echte Bestandsaufnahme, die Orientierung für das weitere Leben ermöglicht, und jungen Menschen ihre Chancen und Potenziale vor Augen hält. Den Schüler:innen dient die Mittlere Reife also zur Standortbestimmung, für die Schulen ist sie ein Instrument der Qualitätssicherung. Ein gemeinsames Ziel am Ende der Schulpflicht ermöglicht es, die Wege dorthin freizugeben und echte Schulautonomie mit Leben zu füllen.
Anstelle behäbiger Schulbehörden möchten wir eine Support-Agentur für Qualitätsmanagement und Bildungsservice einführen, die Schulen beratend begleitet. Interdisziplinäre Teams organisieren beispielsweise Austauschprogramme für Lehrer:innen, Best Practice-Workshops, Mentoringprogramme und andere schulübergreifende Projekte, um das lebenslange Lernen aller Beteiligten und des ganzen Bildungssystems zu fördern. Statt für bürokratische Bevormundung und lähmende Kontrolle zu sorgen, treibt diese Agentur aktiv die Bildungswende voran. Gleichzeitig reduzieren wir Hierarchie-Ebenen in der Schulverwaltung. Die Bildungsdirektion wird als Behörde abgeschafft und den Schulen wird freigestellt, ob sie Leistungen wie Personalverrechnung an die Support-Agentur übertragen oder private Dienstleister damit beauftragen. So werden sie aus der Abhängigkeit befreit und können die effizienteste Form der Unterstützung wählen.
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